"Man kann die Welt nicht alleine verändern!"
Kisilu Musya macht die Landwirtschaft in Kenia fit für die Zukunft. Als er die Äcker seiner Eltern um die Jahrtausendwende übernahm, merkte er, dass die Erträge immer spärlicher ausfielen. Auf der Suche nach den Gründen für die Misere wurde dem Vater von neun Kindern schnell klar: Seine Probleme bringt der Klimawandel. Seitdem kämpft Kisilu, erst in Kenia und mittlerweile auch weltweit, gegen die Ursachen und Auswirkungen der Klimakrise. Im Film „Thank you for the rain“ dokumentiert er sein Leben, von Kenia nach Oslo und Paris zum Klimagipfel im Jahr 2015. Wir haben mit ihm über sein Engagement gesprochen.
Kisilu, du bist Kleinbauer im östlichen Teil Kenias. Wie sind die Bedingungen für deine Arbeit?
Unsere Gegend ist trocken und es gibt viele klimatische Schwankungen in den Jahreszeiten. Ich denke, der Klimawandel ist daran schuld. Deshalb habe ich angefangen Bäume zu pflanzen und bin zum Klimaaktivist geworden.
Dein Hof liegt in Mutomo, zwischen Nairobi und Mombasa. Was baust du da an? Hältst du Tiere?
Wir bauen Mais und Mungbohnen an und wir haben einen Obstgarten. Außerdem haben wir ein Waldstück angelegt, das nicht nur Schatten spendet, sondern uns auch mit Feuer- und Nutzholz versorgt. Wir halten auch ein paar Tiere: Hühner, Ziegen und Kühe. Weil wir Ökolandbau betreiben, produzieren die Tiere den Dünger. Tierhaltung und Ackerbau profitieren gegenseitig voneinander und das gibt uns Ernährungssicherheit – hier auf unserem Hof und in unserer Region.
In Deutschland mussten in den letzten Jahrzehnten hunderttausende kleine und mittlere bäuerliche Betriebe ihre Hoftore schließen, während Großunternehmen und die Agrarindustrie immer mehr Macht erlangen. Wie ist die Situation in Kenia?
In meiner Region sieht das anders aus, wir konkurrieren nicht mit großen Unternehmen um unsere Produktion. Unser größtes Problem ist, dass wir mit unserem Land nicht mehr genug zu essen für die Gemeinde produzieren können. Also richten wir Kleinbäuerinnen und -bauern unsere Anstrengungen darauf aus, mit Subsistenzwirtschaft unsere Ernährungsgrundlagen zu erzeugen. Durch die Umstellung auf Ökolandbau können wir mittlerweile in unserer Gegend genug für uns selbst produzieren, aber wir haben noch keine Überschüsse, die wir auf dem Markt verkaufen und so in Konkurrenz zu Großunternehmen treten.
Und wie sieht es beim Saatgut aus? Merkt ihr da den Einfluss der Agrarindustrie?
Einmal schenkte uns die Regierung Hybrid-Saatgut. Nachdem wir es einmal ausgesät hatten, sollten wir im nächsten Jahr bei den Konzernen Neues kaufen. Wir haben versucht dasselbe wieder anzubauen, aber es hat nicht funktioniert. Seit wir wieder unser traditionelles Saatgut nutzen, sind unsere Erzeugnisse viel resistenter gegen Krankheiten und Dürre. Jetzt kämpfen wir gegen dieses Hybrid-Saatgut ebenso wie gegen die giftigen Düngemittel und Pestizide der großen Unternehmen.
Welche Effekte des Klimawandels merkt ihr in Kenia? Wie hat die Klimakrise die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft in den letzten Jahren verändert?
Wir merken, dass es regelmäßigere und länger andauernde Dürren, Überflutungen und Stürme gibt. All das verstärkt die Armut auf dem Land und führt zu Schulabbrüchen, frühen Heiraten und Krankheiten durch Mangelernährung. Es gibt viele Probleme in unserer Region, die vom Klimawandel bedingt werden. Viele Bauern haben aufgegeben und oft verlassen die Männer ihr Zuhause und lassen ihre Frauen und Kinder zurück.
In deinem Film „Thank you for the rain“ sprichst du die Probleme des Klimawandels für Bauern und Bäuerinnen in Kenia an. Wir hatten hier 2018 ein extremes Dürrejahr, welche Rolle spielt der Regen für euch?
Weil wir kein fließendes Wasser haben, müssen wir hart für Wasser arbeiten. Selbst eine einfache Bewässerung zu finden, ist sehr schwer. Früher sind wir für Wasser kilometerweit gelaufen, um einen Fluss zu erreichen, der unser Gebiet kreuzt.
Und jetzt?
Jetzt haben wir dort Land, das fruchtbar ist und auf dem wir gemeinsam mit anderen Kleinbäuerinnen und -bauern Gemüse für die Gemeinde anbauen und eine Baumschule gepflanzt haben. Im trockenen Sommer arbeiten wir am Fluss. Wenn es regnet, gehen wir zurück auf unsere Felder.
Du bist nicht nur zum Filmemacher geworden, du bist auch Aktivist für Klimagerechtigkeit und hast auf dem Pariser Klimagipfel gesprochen. Wie hilfst du Menschen in deiner Region konkret den Klimawandel zu bewältigen?
Wir sind eine Gruppe von Bäuerinnen und Bauern, die Bäume gegen die Ursachen und Folgen des Klimawandels pflanzen. So verringern wir die Bodenerosion. Außerdem vermehren wir Saatgut, das resistent gegen Krankheiten und Dürren ist und eine gute Ernte erbringt. Wir geben unser Wissen über Kompost und ökologische Pflanzenschutzmittel weiter, die wir aus speziellen Bäumen extrahieren. Sie wirken nicht nur gut, sondern wir schützen so auch Böden, Umwelt und Gesundheit. Zudem bauen wir verschiedene Pflanzen an, um Bodenbedeckung zu gewährleisten. Einige Pflanzen fixieren Stickstoff und halten den Boden fruchtbar. Und wir geben gerade Kurse dazu, wie man wassersparend wirtschaften kann.
Welchen Einfluss hatte der Film auf die Wahrnehmung des Klimawandels?
Wir verstehen jetzt, was die Auswirkungen des Klimawandels sind. Vorher wussten die Bäuerinnen und Bauern bei uns gar nicht, dass sie ein Problem mit dem Klimawandel haben. Viele Zuschauer*innen, die die Dürre relativ emotionslos überstanden haben, waren vom Film zu Tränen gerührt. Durch den Film fängst du an, dich aus einer anderen Perspektive zu betrachten und endlich zu verstehen, was los ist. Das hat auch bei unseren Politiker*innen funktioniert, die uns anschließend fragten, was sie für uns tun können.
Und wie können Klimaaktivist*innen hier und in Kenia zusammen gegen den Klimawandel kämpfen?
Das ist eine schwierige Frage. Ich selbst bin bereit meine Geschichte zu verbreiten und gegen den Klimawandel zu kämpfen. Die Frage ist aber: Wozu bist du bereit? Lösungen entstehen nur, wenn man zusammenkommt und diskutiert, so wie wir gerade. Um den Klimawandel zu bekämpfen, müssen wir unsere Anstrengungen und unser Geld zusammenlegen. Wir müssen uns vernetzen: mental, spirituell, physisch und finanziell. Man kann die Welt nicht alleine verändern.
Was müssen wir hier in Europa deiner Ansicht nach tun, um die Klimakrise zu überwinden?
Mit vielem aufhören. Ich weiß nicht, was ihr hier genau macht. Aber mit einigen Dingen müsst ihr schrittweise aufhören. Und ihr könnt heute damit anfangen: weniger oder gar kein Fleisch mehr essen, klimaschädliche Landwirtschaft beenden und aus der fossilen Energie aussteigen. Wir müssen mit vielen Verhaltensweisen aufhören und Alternativen finden.
Im Januar gehen wir wieder für eine bäuerlich-ökologischere Landwirtschaft und gerechten Handel auf die Straße. Was ist deine Message an unsere Bewegung hier in Deutschland?
Ihr macht hier genau das, was ich in Kenia mache. Also bleibt dran! Macht damit weiter! Seid Vorbilder und seid Bäuerinnen und Bauern, die verstehen, dass sich etwas ändern muss. Arbeitet mit Zuversicht, mit sehr viel Geduld, Disziplin – und immer mit gegenseitigem Respekt.