Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

„Wachsen ist nicht das Richtige für uns!“

Ve-Annissa Spindler lebt als Jungbäuerin auf dem Siebengibelhof in der Nähe von Parchim. Dort verwirklicht sie den Traum vieler junger Landwirtinnen: einen eigenen Hof gründen und selbst bestimmen, wie gewirtschaftet wird. Als Bäuerin mit einem alternativen Hof-Konzept muss man flexibel sein. Ob auf dem Acker, dem Wochenmarkt oder im Käse-Keller – überall wartet die Arbeit. Wir haben mit Ve-Annissa, die gemeinsam mit vielen anderen Bäuerinnen und Bauern die Wir haben es satt!-Demonstration mit ihrem Traktor anführt, in einer ruhigen Minute über ihre Arbeit und ihr Engagement gesprochen.

 

Ve-Annissa, als Landwirtin hast du sicher viel Arbeit und wenig Pausen. Wobei habe ich dich denn gerade unterbrochen?

Ich komme gerade aus unserer Team-Besprechung. Da setzen wir uns gemeinsam zusammen und schauen, was die Woche noch ansteht. Ich arbeite als Landwirtin hauptsächlich draußen mit meinen Tieren, dazu kommt relativ viel Verwaltungsarbeit im Büro. Vermarktung ist ein anderes großes Thema. Heute werde ich zum Beispiel noch Käse-Pakete packen. Wir käsen ja selbst und versenden dann einmal in der Woche die Bestellungen nach ganz Deutschland. Die Direktvermarktung wird gut angenommen und ist wichtig für uns.

Wer wohnt denn mit dir auf dem Hof?

In der kalten Jahreszeit sind wir zu viert. Ein Auszubildender, eine Arbeitskraft für unser Hofcafé und Hofladen, mein Freund und ich. Im Sommer haben wir auch meistens zwei Schulpraktikanten die deutschlandweit aus den Waldorfschulen zu uns kommen. Und dann sind da natürlich noch eine buntgemischte Kuhherde, unsere Sattelschweine, Hühner, Hunde und Katzen.

Und wie kann man sich den Hof vorstellen?

Der Hof ist ein Dreiseitenhof mit einem kleinen Kuhstall und einem Außenbereich für die Kälber und Schweine. Die kann jeder direkt sehen, der auf den Hof kommt. Weiter vorne gibt es ein kleines Hofcafé mit einem Hofladen.

Das klingt sehr idyllisch. Ist der Siebengibelhof dein Traum-Bauernhof?

Der Hof ist genau das, was ich nach meinem Meister wollte. Aber aller Anfang ist schwer. Die Übergabe war mitten in der Ernte und alles ging ziemlich schnell. Vor allem die Bürokratie hat mich zu Beginn mehr beschäftigt als die eigentliche Arbeit als Bäuerin. Es gibt so viele Ämter, die alle ihre eigenen Formulare ausgefüllt haben wollen. Aber ich bin mehr als froh, den Schritt gemacht zu haben. Hier kann ich einen Hof nach meinem Konzept entwickeln.

Was zeichnet denn dein Konzept aus?

Ich will nicht auf Masse setzen! Ich habe nicht das Gefühl, dass Wachsen das Richtige für uns ist. Ich möchte gut in dem sein, was ich mache und stetig besser werden. Ich will, dass der Hof als Kreislauf funktioniert. Dazu gehört auch, dass wir unsere Produkte vor Ort anbieten und der Region etwas zurückgeben.

Die Agrarwende findet also für dich in deinem unmittelbaren Umfeld statt?

Wir sind hier in der Nähe von Parchim, einer total dünn besiedelten Gegend. Daher ist Berlin  ein wichtiger Markt für uns. Dennoch wollen wir die Regionalvermarktung hier vor Ort nicht aufgeben, auch wenn es sich finanziell vielleicht nicht ganz so lohnt. Wir stehen auf zwei Wochenmärkten und stellen dort vermehrt fest, dass die Leute uns nicht wegen des Bio-Labels kaufen.

Sondern?

Sie sagen, dass ihnen der Käse einfach super schmeckt und dass sie das, was wir auf dem Hof machen, klasse finden und es unterstützen wollen. Das find ich wiederum total gut: Die Leute entdecken wieder, wie viel Geschmack und Aroma ein Käse haben kann.

Die VerbraucherInnen sind also nicht nur VerbraucherInnen, sondern auch NachbarInnen und andersrum?

Wir versuchen alle mitzunehmen und zu erklären, wie wir arbeiten und wie so ein Hof funktioniert. Das passiert im Hofladen oder bei Hoffesten, wo wir Führungen anbieten. Die Entfernung zum Land und bäuerlicher Arbeit ist bei vielen Kunden enorm. Da beginnt man dann bei den Basics, warum die Kuh Milch gibt, dass sie dafür kalben muss, dass diese Milch dann zu unterschiedlichem Käse verarbeitet werden kann. Mir ist es ein Anliegen, dass die Leute verstehen, welche Arbeit auch vom Tier geleistet wird.

Das heißt, du hast neben der praktischen Arbeit auch einen Bildungsauftrag?

Ja, total. Wir haben im Sommer viele Gäste, die bei uns für ein paar Nächte campen. Es macht viel Spaß, die Leute direkt mit in den Melkstand zu holen. So verrichtet man gemeinsam die Arbeit und kann ganz nebenbei über Landwirtschaft sprechen. Es ist total spannend, welche Fragen die Leute bewegen und es entwickelt sich jedes Mal ein anderes Gespräch.

Was brennt dir als Bäuerin denn vor Ort unter den Nägeln?

Definitiv die Pachtpreise. Hier werden mittlerweile Preise aufgerufen, wo kleine Bio-Betriebe, wie meiner, einfach nicht mithalten können. Ich habe derzeit 110 Hektar Land und 31 davon sind in der Schwebe, weil das Land neu ausgeschrieben wurde und mein Gebot sicher nicht das höchste sein wird. Auf der anderen Seite will ich bei dieser Preisspirale aber auch nicht mitspielen.

Was müsste politisch gegen die ungerechte Landverteilung getan werden?

Die Agrarsubventionen der ersten Säule müssen gekürzt werden, damit dieser Hektar-Wahnsinn aufhört. Die, die ohnehin schon viel Land haben, sollten nicht noch ohne weitere Qualitätskriterien mit Förderungen dafür belohnt werden. Die Vorteile von bäuerlichen Betrieben und kleinen Strukturen liegen auf der Hand und die Politik kann nicht länger die Augen davor verschließen, sondern muss sie anerkennen und danach handeln.

Schwingst du dich deswegen auf deinen Trecker und kommst am 20. Januar nach Berlin?

Ich komme auf jeden Fall nach Berlin, aber ob es mein eigener Trecker schafft, weiß ich noch nicht. Vielleicht muss ich auf den vom Nachbarn zurückgreifen. Ich freue mich schon sehr auf die Demo! Es ist total schön, mit anderen Bäuerinnen und Bauern zusammen zu kommen, da gemeinsam aufzutreten und den Rückhalt der Zivilgesellschaft zu spüren. Auf dem Hof steht einem die Arbeit oft bis zum Hals und man fragt sich, ob das überhaupt jemand mitbekommt. Dann kommt man nach Berlin, gemeinsam mit Tausenden Anderen, fühlt sich wertgeschätzt und weiß: Es ist der richtige Weg!

 

Mehr Infos zum Siebengiebelhof findet ihr auf der Webseite: www.siebengiebelhof.de

 

 

ZURÜCK ZU INTERVIEWS AUS DEN VORJAHREN