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"Monokulturen sind furchtbar für Bienen"

Angelika Sust (links) ist über Umwege zur Imkerei gekommen. Die Hobby-Imkerin verdient ihren Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Kinder- und Jugendbüchern. Als die 47-jährige vor einigen Jahren einen Eintrag zu Bienen für ein Tierlexikon verfasste, tauchte sie erstmals ein in die spannende Welt der fleißigen Insekten. Heute ist sie Bienen-Expertin und -Aktivistin zugleich. Wir haben mit Angelika, die sich u. a. bei Mellifera für eine insektenfreundliche Welt engagiert, über wesensgemäße Imkerei, Strategien gegen das Insektensterben und ihre Pläne für die anstehende Wir haben es satt!-Demonstration gesprochen.

 

Angelika, wie bist du zur Imkerei und zum Thema Bienen gekommen?

Vor einigen Jahren habe ich einen Kurs zu wesensgemäßer Imkerei bei Mellifera besucht. Dabei habe ich gelernt, wie ein Bienenvolk als zusammenhängender Organismus funktioniert. Als ich dann anfing als Imkerin zu arbeiten, sind Verlage auf mich zugekommen, um Buchprojekte über Bienen zu machen. Die Honigbiene ist einfach ein Sympathieträger und wird seit Jahren ganz schön gehypt – nicht zuletzt seitdem das Bienensterben so groß in den Medien ist. Einerseits ist das schrecklich, andererseits ist das aber auch eine Chance.

Du sprichst von wesensgemäßer Imkerei, was heißt das genau?

Wesensgemäße Bienenhaltung ist die Demeter-Richtung. Dabei geht es nicht um den maximalen Honigertrag, vielmehr steht das Bienenvolk mit seinen natürlichen Lebensprozessen im Vordergrund. Imkerei ist natürlich immer ein Eingriff, aber dieser soll so klein wie möglich sein, um die Bienen möglichst wenig zu stressen. Ohne Stress sind die Völker vitaler und letztlich geht es auch um einen respektvollen Umgang mit dem ganzen Wesen des Biens.

Was ist denn der Bien?

Da die Bienenkolonie nur als Ganzes überlebensfähig ist, wird sie als ein einziger Organismus verstanden. Alle Individuen eines Volkes arbeiten zusammen und sind perfekt aufeinander abgestimmt. Man kann das mit den Zellen in unserem Körper vergleichen. Der Begriff stammt aus dem 19. Jahrhundert. In der heutigen Forschung wird auch vom Superorganismus gesprochen. Auch das von der Kolonie hergestellte Wachswabenwerk gehört dazu. Die Bienen brauchen den Wabenbau nicht nur für den Honig oder für ihre Brut, er ist auch ihr „Skelett“, ihr Immunsystem, Gedächtnis und Kommunikationssystem.

Was fasziniert dich am meisten an den Bienen?

Wenn ich Bienen beobachte, geht mir das Herz auf. Man begreift einfach, wie alles zusammenhängt. Nicht nur das abgefahrene Gemeinschaftswerk im Inneren der Kolonie, sondern auch das perfekt verzahnte Zusammenspiel draußen, also die Jahrmillionen alten Kreisläufe zwischen Bienen und Blütenpflanzen: Die Sammelbienen fliegen aus, bekommen Nektar von den Blüten und sorgen im Gegenzug für deren Bestäubung. Aus dem Nektar, oder anders ausgedrückt aus verstoffwechselter Sonnenenergie, machen sie Honig. Der Honig wiederum spendet Energie für alle Lebensprozesse im Volk. So funktioniert Leben: ein Geben und Nehmen ganz ohne Ausbeutung. Davon sollten wir uns alle inspirieren lassen!

Das Bienensterben ist in aller Munde. Was sind deiner Meinung nach die Ursachen dafür?

Es gibt ja immer mehrere Faktoren, aber einer ist sicher die intensive Landwirtschaft. Monokulturen etwa sind für Bienen furchtbar: Erstens ist das eine extrem einseitige Ernährung, zweitens kriegen sie da viele Pestizide ab. Neonikotinoide bewirken zum Beispiel, dass die Bienen ihre Orientierung verlieren. Sie sterben davon zwar nicht sofort, aber sie finden nicht mehr zum Stock zurück und sterben später. Auch massive imkerliche Manipulationen und einseitige Zuchtmethoden schwächen die Bienen. Das Volk steht unter Leistungsdruck und gerät durch zu viele Eingriffe ständig ins Ungleichgewicht.

Was sagst du dazu, dass Unternehmen wie Bayer mit ihren „Neonics“, die auf Insekten wie Nervengifte wirken, Millionengewinne machen?

Im Grunde macht es mich fassungslos, dass die Politik so eng mit der Industrie zusammenarbeitet. Das ist nicht nur frech, sondern rechtswidrig. Es gibt u. a. eine EU-Verordnung, die vorschreibt, dass Pestizide keine schädlichen Auswirkungen auf die Insektenwelt haben dürfen. Die Prüfung findet aber nicht ausreichend statt. In der Vergangenheit wurde nicht selten die Schädlichkeit der Ackergifte erst festgestellt, als sie schon zugelassen waren.

Sind Honig- und Wildbienen, beispielsweise Hummeln, gleichermaßen vom Aussterben bedroht?

Wildbienen sind sogar noch mehr gefährdet, denn sie haben keine Lobby. Bei den Honigbienen, unserem drittwichtigsten Nutztier, erkennen die Politiker*innen den ökonomischen Nutzen. Dabei sind Wildbienen besonders wichtige Bestäuber und vor allem für die Artenvielfalt grundlegend.

Denkst du Bienen und Bäuer*innen brauchen sich gegenseitig? Oder anders gefragt, was ist der Nutzen der Bienen für die Landwirtschaft und umgekehrt?

Bienen und eine gute Ernte hängen doch eng zusammen. Honigbienen bestäuben sehr zuverlässig und punktgenau. Das schafft der Wind so nicht. Es wäre sicherlich gut, wenn jeder Bauernhof auch Bienen hätte.

Wie kann die Landwirtschaft mithelfen, dass die Bienen genug Lebensräume finden?

Die kleinbäuerliche Landwirtschaft müsste mehr Unterstützung finden. Die Bäuerinnen und Bauern sind ja gezwungen viel und schnell Ernte einzufahren, deswegen gibt es so viele agrarindustrielle Strukturen. Man müsste wieder vermehrt auf wechselnde Fruchtfolgen setzen, die Anbaudiversität fördern und insgesamt vielfältige Strukturen schaffen. Das sind alles Maßnahmen, die auch gut für die Bienen sind. Letztlich muss politisch umgesteuert werden. Denn es ist doch leider so: Wird ein Pestizid verboten, kommt ein neues, das es ersetzt. Das ist ein ewiger Kreislauf.

Wie muss die Politik denn umsteuern, damit die Landwirtschaft wieder in Einklang mit der Insektenwelt gebracht wird?

Wir brauchen eine EU-Agrarpolitik, die Bäuerinnen und Bauern dabei unterstützt nachhaltig und bienenfreundlich zu wirtschaften. Wir müssen mit und nicht gegen die Natur arbeiten und nach und nach von den chemisch-synthetischen Spritzmitteln wegkommen. Insekten brauchen das ganze Jahr über Agrarlandschaften mit vielfältigen Blühangeboten. Monokulturen sind ein echtes Problem. Wo bis zum Horizont Agrarwüste ist, finden Bienen nichts mehr zu fressen, sobald alles verblüht ist. Da fliegen sie ewig weit und verhungern letztlich. Deswegen kommen die Imker*innen schon in die Städte, weil die Bienen auf dem Land nichts mehr finden. Das ist doch krank.

Und wie können die Verbraucher*innen die insektenfreundliche Landwirtschaft unterstützen?

Es braucht natürlich auch faire Lebensmittelpreise und ein generelles Umdenken. Auch Hinz und Kunz müssen wieder verstehen, was eigentlich ein Glas Honig, ein Liter Milch oder ein Stück Fleisch wert sind. Die Wertschätzung ist bei den ganzen Dumpingpreisen verloren gegangen.

Du bist regelmäßig bei der Wir haben es satt!-Demo dabei. Warum ist es dir wichtig, trotz der Kälte im breiten Bündnis aus Landwirtschaft und Gesellschaft auf die Straße zu gehen?

Oft denke ich: ‚Hilfe, in der Welt brennt es ja an allen Ecken und Enden.‘ Da ist die Demo einfach motivierend. Ich finde es echt super, dass die Bäuer*innen mit ihren Traktoren vom Land kommen. Das baut mich auf und ich denke, vielleicht bekommen wir es doch noch hin mit der Agrarwende. Von Mellifera Berlin verkleiden wir uns immer als Bienen und machen auf der Demo eine Performance, wir führen Bienentänze auf und verteilen Flyer. Das kommt ganz gut an.

Dann können wir ja sicher im Januar wieder mit dir rechnen. Was steht denn 2020 auf deinem Schild?

Ich bin auf jeden Fall wieder dabei! Wir hatten in den letzten Jahren Schilder mit ‚No Monokultur‘, ‚Bauer sucht Biene‘ oder ‚Neonics nerven Bienen zu Tode‘. Gerade weiß ich noch nicht, was auf meinem Schild stehen wird. Aber es ist ja noch ein bisschen Zeit, bis wir uns zum Schilder malen treffen. Lasst euch überraschen!

 

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